Glutenfrei
unterwegs 1
Der
Titel dieses Posts klingt reichlich großspurig - so, als sei ich der
ultimative Globetrotter, der durch die Welt oder zumindest
Deutschland reist und ständig auf der Suche nach glutenfreien
Futterquellen ist.
Die
Realität ist, daß ich so etwas wie eine intelligente Napfschnecke
bin, die auf ihrer Klippe klebt und sich üblicherweise nicht weiter
als in einem Radius von ungefähr zwanzig Kilometern bewegt.
Zu
meinem Erstaunen habe ich entdckt, daß sich innerhalb meines engen
Umfeldes auf der Klippe verblüffend viele gastronomische Betriebe
befinden, die glutenfreies Essen servieren.
Erstaunt
war ich deshalb, weil ich als zugezogene Freiburgerin ein wenig
hochnäsig auf unser "Kaff" und die umliegenden etwas
größeren "Käffer" herabgesehen habe, die im Radius von
zehn Kilometern mal gerade drei größere Bioläden bieten, während
ich in Freiburg im Radius von einem Kilometer die gleiche
Anzahl hatte.
Donnerstag
hatte ich nun das Schlüsselerlebnis, das mich von meinem hohen Roß
herunter geholt hat. Eine Erscheinung, sozusagen, die passenderweise
im Hotel "Am Erzengel" stattfand.
Genau
gesagt im dazugehörigen Restaurant.
Natürlich
kenne ich das Hotel samt Restaurant, seit ich in Rhede lebe, also
seit achtzehn Jahren. Nur betreten habe ich es nie, weil der
Göttergatte und ich selten auswärts essen und wenn, dann bevorzugt
in chinesischen, japanischen, thailändischen, indonesischen,
indischen, persischen, griechischen, türkischen oder arabischen
Restaurants. Man sieht die klare Tendenz - mit deutscher Küche haben
wir es nicht so dringend. Ich vermutlich noch weniger als der
Göttergatte, denn der ist im Gegensatz zu mir mit deutscher Küche
aufgewachsen.
Jedenfalls
wurden wir spontan mit einer Einladung zum Abendessen im Restaurant
"Am Erzengel", Münsterstraße 250 in Bocholt, überrumpelt.
Da
ich mir keinen Streß mehr mache, wenn wir mal auswärts essen,
dachte ich mir, Salat geht immer, schmeckt mir gut und ist praktisch
überall glutenfrei zu haben.
Das
Hotel-Restaurant "Am Erzengel" fällt in die Kategorie der
feineren Adressen, was man bereits beim Eintreten spürt. Nicht nur
wegen des eleganten Interieurs, sondern vor allem wegen der
Atmosphäre: Ruhig, zurückhaltend, unaufdringlich und erfreulich
entspannt.
Kein
Hochbetrieb, da es ein Wochentag war, was sicherlich dazu beigetragen
hat, daß es angenehm ruhig war.
Die
Kellner stellten sich als ausgesprochen nett heraus. Höflich,
freundlich, geduldig und mit einem augenzwinkernden gelassenen Humor.
Es
war bereits nach acht Uhr abends, und ich hatte ziemlichen Hunger,
daher entschied ich, etwas anderes als nur einen Salat zu wagen.
Fleischgerichte
um die Zeit würden mich die ganze Nacht wach halten, weil ich sie
nicht mehr verdaue, also sah ich mir die vegetarischen Gerichte an.
Meistens riskant, wie ich aus leidvoller Erfahrung weiß, denn die
sind oft am wenigsten glutenfrei.
Doch
dann lachten mich "Quinoa-Bratlinge an mediterranem Gemüse und
Kräuterstampf" an.
Ich
fragte den Kellner, ob diese glutenfrei seien, und er sagte, er frage
nach.
Tatsächlich,
laut Küche waren sie glutenfrei und wurden umgehend von mir
bestellt.
Dann
kam zuerst ein Amuse-Gueule - da ich müde und hungrig war, ist die
genaue Bezeichnung nicht bei mir haften geblieben, aber es war etwas
mit einem winzigen Stückchen Hähnchenbrust, einem traumhaften
Schaum mit Zitronengrasaroma und Rettichstreifen, bestreut mit
einigen Safranfäden.
Glutenfrei
und köstlich.
Danach
folgte das obligatorische Brot mit Aufstrichen - und der Kellner
sagte zuvorkommend zu mir: "Das glutenfreie Brötchen kommt
gleich!"
Ich
war so platt, daß ich ihn zuerst einmal nur mit kugelrunden Augen
anstarrte.
Der
Göttergatte fragte dann geistreich: "Machen Sie die selbst?"
Der
Kellner lächelte. "Wir machen sie selbst heiß."
Es
dauerte ziemlich lange, bis das Brötchen kam, es war weich, saftig
und schwach süßlich und ich habe keine Ahnung, von welchem
Hersteller, aber ich habe es über alle Maßen genossen, ganz
einfach, weil es ein glutenfreies Brötchen in einem feinen
Retsaurant war und ich vermutlich nicht überraschter gewesen wäre,
wenn der Weihnachtsmann persönlich es mir serviert hätte.
Auch
das Essen kam erfreulicherweise nicht verdächtig schnell - im
Erzengel wird mit echten Zutaten richtig gekocht. Blöd, wenn einem
der Magen in den Kniekehlen hängt, aber für Qualität lohnt es
sich, zu warten.
Unser
freundlicher Gastgeber teilte dem Kellner irgendwann scherzhaft mit,
er müsse dann bald mal ins Bett, worauf der Kellner augenzwinkernd
sagte: "Ich auch!"
Wie
gesagt, die perfekte Harmonie aus höflicher Zuvorkommenheit und
Humor, in der man sich ehrlich wohl fühlt.
Schließlich
kam das Essen, serviert nicht auf langweiligem weißem
Gastronomie-Porzellan, sondern in flachen, bunten Steingutschalen,
die das Auge schon erfreuen, bevor man überhaupt probiert hat.
Doch
das ist keineswegs Ablenkung von eventuell mittelmäßigem Essen.
Meine
Quinoa-Bratlinge waren ein wenig bröckelig, was ein recht guter
Beweis für fehlendes Klebe-Mehl ist.
Alles
in allem - für mich - das perfekte Essen: Keine Mega-Portion,
sondern genau die richtige Menge, um satt zu werden. Wenn mein müdes
Hirn das richtig gespeichert hat, vier Bratlinge mit ca. 5 cm
Durchmesser an einer köstlichen Paprika-Tomaten-Sauce mit gerade
wahrnehmbarer Schärfe im Hintergrund, drei Nockerln wunderhübsch
kräutergrünen Kartoffelstampfs und ein Fächer aus feinen
gebratenen oder gegrillten Zucchini-, Tomaten- und Zwiebel-Scheiben.
Ich
war im absoluten vegetarischen Dinner-Himmel, und das Essen ist mir
anstandslos bekommen.
Bilder
gibt es nicht - in dem Augenblick dachte ich noch nicht daran, einen
Bericht darüber zu schreiben. Dafür ist hier die Webabdresse: Hotel Restaurant Am Erzengel
Nachdem
ich inzwischen auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt bin, habe
ich entschieden, auch die anderen glutenfreien Optionen hier im
Umkreis einmal zu testen und darüber zu berichten.
Wie
gesagt, ich bin perfekt zufrieden, wenn ich in einem Café einfach
nur einen Kaffee trinke oder in einem Restaurant einen Salat esse.
Beides mag ich gern, und deswegen macht mich beides glücklich.
Jedoch
eine gewisse "Verwöhn-Option" zu haben, die darüber
hinaus geht, ist für mich purer Luxus.
Glutenfreie
Alternativen in Restaurants mögen nicht immer ein Knüller sein wie
hier im Erzengel, aber irgendwo anders als in der eigenen Küche
essen zu können, ohne es hinterher möglicherweise zu bereuen,
empfinde ich als echten Genuß, unabhängig davon, ob die Speisen nun
sterneverdächtig sind oder nicht. Vor allem, wenn das Ambiente und
die Gesellschaft stimmen.
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