Sonntag, 23. September 2018

Glutenfrei unterwegs 1

Glutenfrei unterwegs 1

Der Titel dieses Posts klingt reichlich großspurig - so, als sei ich der ultimative Globetrotter, der durch die Welt oder zumindest Deutschland reist und ständig auf der Suche nach glutenfreien Futterquellen ist.
Die Realität ist, daß ich so etwas wie eine intelligente Napfschnecke bin, die auf ihrer Klippe klebt und sich üblicherweise nicht weiter als in einem Radius von ungefähr zwanzig Kilometern bewegt.
Zu meinem Erstaunen habe ich entdckt, daß sich innerhalb meines engen Umfeldes auf der Klippe verblüffend viele gastronomische Betriebe befinden, die glutenfreies Essen servieren.
Erstaunt war ich deshalb, weil ich als zugezogene Freiburgerin ein wenig hochnäsig auf unser "Kaff" und die umliegenden etwas größeren "Käffer" herabgesehen habe, die im Radius von zehn Kilometern mal gerade drei größere Bioläden bieten, während ich in Freiburg im Radius von einem Kilometer die gleiche Anzahl hatte.
Donnerstag hatte ich nun das Schlüsselerlebnis, das mich von meinem hohen Roß herunter geholt hat. Eine Erscheinung, sozusagen, die passenderweise im Hotel "Am Erzengel" stattfand.
Genau gesagt im dazugehörigen Restaurant.
Natürlich kenne ich das Hotel samt Restaurant, seit ich in Rhede lebe, also seit achtzehn Jahren. Nur betreten habe ich es nie, weil der Göttergatte und ich selten auswärts essen und wenn, dann bevorzugt in chinesischen, japanischen, thailändischen, indonesischen, indischen, persischen, griechischen, türkischen oder arabischen Restaurants. Man sieht die klare Tendenz - mit deutscher Küche haben wir es nicht so dringend. Ich vermutlich noch weniger als der Göttergatte, denn der ist im Gegensatz zu mir mit deutscher Küche aufgewachsen.
Jedenfalls wurden wir spontan mit einer Einladung zum Abendessen im Restaurant "Am Erzengel", Münsterstraße 250 in Bocholt, überrumpelt.
Da ich mir keinen Streß mehr mache, wenn wir mal auswärts essen, dachte ich mir, Salat geht immer, schmeckt mir gut und ist praktisch überall glutenfrei zu haben.
Das Hotel-Restaurant "Am Erzengel" fällt in die Kategorie der feineren Adressen, was man bereits beim Eintreten spürt. Nicht nur wegen des eleganten Interieurs, sondern vor allem wegen der Atmosphäre: Ruhig, zurückhaltend, unaufdringlich und erfreulich entspannt.
Kein Hochbetrieb, da es ein Wochentag war, was sicherlich dazu beigetragen hat, daß es angenehm ruhig war.
Die Kellner stellten sich als ausgesprochen nett heraus. Höflich, freundlich, geduldig und mit einem augenzwinkernden gelassenen Humor.
Es war bereits nach acht Uhr abends, und ich hatte ziemlichen Hunger, daher entschied ich, etwas anderes als nur einen Salat zu wagen.
Fleischgerichte um die Zeit würden mich die ganze Nacht wach halten, weil ich sie nicht mehr verdaue, also sah ich mir die vegetarischen Gerichte an. Meistens riskant, wie ich aus leidvoller Erfahrung weiß, denn die sind oft am wenigsten glutenfrei.
Doch dann lachten mich "Quinoa-Bratlinge an mediterranem Gemüse und Kräuterstampf" an.
Ich fragte den Kellner, ob diese glutenfrei seien, und er sagte, er frage nach.
Tatsächlich, laut Küche waren sie glutenfrei und wurden umgehend von mir bestellt.
Dann kam zuerst ein Amuse-Gueule - da ich müde und hungrig war, ist die genaue Bezeichnung nicht bei mir haften geblieben, aber es war etwas mit einem winzigen Stückchen Hähnchenbrust, einem traumhaften Schaum mit Zitronengrasaroma und Rettichstreifen, bestreut mit einigen Safranfäden.
Glutenfrei und köstlich.
Danach folgte das obligatorische Brot mit Aufstrichen - und der Kellner sagte zuvorkommend zu mir: "Das glutenfreie Brötchen kommt gleich!"
Ich war so platt, daß ich ihn zuerst einmal nur mit kugelrunden Augen anstarrte.
Der Göttergatte fragte dann geistreich: "Machen Sie die selbst?"
Der Kellner lächelte. "Wir machen sie selbst heiß."
Es dauerte ziemlich lange, bis das Brötchen kam, es war weich, saftig und schwach süßlich und ich habe keine Ahnung, von welchem Hersteller, aber ich habe es über alle Maßen genossen, ganz einfach, weil es ein glutenfreies Brötchen in einem feinen Retsaurant war und ich vermutlich nicht überraschter gewesen wäre, wenn der Weihnachtsmann persönlich es mir serviert hätte.
Auch das Essen kam erfreulicherweise nicht verdächtig schnell - im Erzengel wird mit echten Zutaten richtig gekocht. Blöd, wenn einem der Magen in den Kniekehlen hängt, aber für Qualität lohnt es sich, zu warten.
Unser freundlicher Gastgeber teilte dem Kellner irgendwann scherzhaft mit, er müsse dann bald mal ins Bett, worauf der Kellner augenzwinkernd sagte: "Ich auch!"
Wie gesagt, die perfekte Harmonie aus höflicher Zuvorkommenheit und Humor, in der man sich ehrlich wohl fühlt.
Schließlich kam das Essen, serviert nicht auf langweiligem weißem Gastronomie-Porzellan, sondern in flachen, bunten Steingutschalen, die das Auge schon erfreuen, bevor man überhaupt probiert hat.
Doch das ist keineswegs Ablenkung von eventuell mittelmäßigem Essen.
Meine Quinoa-Bratlinge waren ein wenig bröckelig, was ein recht guter Beweis für fehlendes Klebe-Mehl ist.
Alles in allem - für mich - das perfekte Essen: Keine Mega-Portion, sondern genau die richtige Menge, um satt zu werden. Wenn mein müdes Hirn das richtig gespeichert hat, vier Bratlinge mit ca. 5 cm Durchmesser an einer köstlichen Paprika-Tomaten-Sauce mit gerade wahrnehmbarer Schärfe im Hintergrund, drei Nockerln wunderhübsch kräutergrünen Kartoffelstampfs und ein Fächer aus feinen gebratenen oder gegrillten Zucchini-, Tomaten- und Zwiebel-Scheiben.
Ich war im absoluten vegetarischen Dinner-Himmel, und das Essen ist mir anstandslos bekommen.
Bilder gibt es nicht - in dem Augenblick dachte ich noch nicht daran, einen Bericht darüber zu schreiben. Dafür ist hier die Webabdresse: Hotel Restaurant Am Erzengel

Nachdem ich inzwischen auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt bin, habe ich entschieden, auch die anderen glutenfreien Optionen hier im Umkreis einmal zu testen und darüber zu berichten.

Wie gesagt, ich bin perfekt zufrieden, wenn ich in einem Café einfach nur einen Kaffee trinke oder in einem Restaurant einen Salat esse. Beides mag ich gern, und deswegen macht mich beides glücklich.
Jedoch eine gewisse "Verwöhn-Option" zu haben, die darüber hinaus geht, ist für mich purer Luxus.
Glutenfreie Alternativen in Restaurants mögen nicht immer ein Knüller sein wie hier im Erzengel, aber irgendwo anders als in der eigenen Küche essen zu können, ohne es hinterher möglicherweise zu bereuen, empfinde ich als echten Genuß, unabhängig davon, ob die Speisen nun sterneverdächtig sind oder nicht. Vor allem, wenn das Ambiente und die Gesellschaft stimmen.

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